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17./18. Juli

Lambada – meine Herren!

Wieder vereint, Verladeballett beim Autozug, glücklich zu Hause eingetroffen.

Unsere «FOCS-Familie» ist glücklich wieder vereint. Die Vorhut aus Aalborg trifft sich nach dem Mittag mit uns Nachzüglern. Die Begrüssung fällt sehr herzlich aus. Man könnte meinen, die Trennung sei nicht erst vor ein paar Stunden, sondern bereits vor Monaten erfolgt.

Auf der Autobahn geht’s in Richtung Hamburg. In der topfebenen Landschaft Dänemarks drehen ein paar Windräder lustlos vor sich hin. Wir überholen ein zweimotoriges, grösseres Offshore-Rennboot. Dieses hängt schräg in der Luft: Zu breit für seinen Landgang. So wurde es seitlich gekippt auf einen Anhänger gezurrt. Ein etwas skurriler, beinahe bedrohlicher Anblick, denn der Anhänger schlängelt nervös hin und her. Der Fahrer im Nissan Patrol kämpft sichtlich gegen den Seitenwind. Es gibt also noch andere «Petrol-Heads» auf unserem Weg.

Marcel schult mit uns das Fahren in der kompakten Konvoi-Formation. Nach gutem Zureden über unseren Funk (seine Geduld und Contenance sind echt bewundernswert) klappt’s ganz ordentlich – auch wenn einige Fahrer das Wort «eng aufschliessen» etwa so ausleben, wie höfische Tänzer des Barocks… Lambada, meine Herren, ist gefragt!

Wir brettern – nein, nicht mit Zwohundert Sachen. Vielmehr fahren wir bloss mit 80 Stundenkilometer dahin. Da freut sich jeder Dacia-Fahrer, seinen Freunden heldenhaft zu berichten, er habe soeben 11 Ferrari auf einer Deutschen Autobahn mit freiem Tempolimit in Grund und Boden gefahren. Lassen wir ihm für einmal seine Freude. Denn: ob sie ihm das auch glauben werden?

Um 18.45 Uhr fahren wir in Hamburg Altona vor. Genau auf die Minute. Hans und Renate erwarten uns bereits in ihrem blitzblank polierten F8. Sie fuhren über Göteborg zum Familienbesuch.

Damit schliesst sich der Kreis unserer Fahrt ans Nordkapp. Vor 15 Tagen sind wir von hier aus frisch und unverbraucht in den hohen Norden aufgebrochen. Irgendwie können wir dies noch gar nicht so richtig fassen. Nach über 7'000 absolut faszinierenden Kilometern sind wir alle wohlbehalten und enorm reicher an Eindrücken wieder zurück.

Das Schauspiel des Bahnverlads à la ÖBB vermag uns die gute Laune auch heute Abend nicht zu verderben. Zwar ist der Bahnhof «Hoheitsgebiet» der Deutschen Bahn. Den Bahnverlad betreiben aber die Österreicher. Wie zu Zeiten der kaiserlich und königlichen Monarchie wird geguckt, geschäftig hin- und her gelaufen, ein wichtiges Gesicht aufgesetzt, zum Aufkolonnieren befohlen, einzeln abgerufen, dirigiert und disponiert. Alles scheint nach unseren Erfahrungen mit Fähren in Norwegen total ineffizient. Und dauert ungemein lange. Geschlagene dreieinhalb Stunden! Dann erst sind unsere Autos auf den Waggons platziert für die Bahnfahrt.

Übrigens: das Rätsel, warum Marcel auf seine unzähligen Mailanfragen an die ÖBB im Hinblick auf eine Bestätigung des heutigen Bahnverlads nie eine Antwort erhielt, löste sich: Infolge eines Programmierfehlers seien seine E-Mails leider direkt in den Archiv-Ordner abgelegt worden. So geht Bahnbetrieb. Natürlich nur in Österreich!

Gegen 23.00 Uhr ruckelt der Zug gemächlich los und verlässt Hamburg Altona. Wir dösen, schlafen, schwelgen in Erinnerungen oder palavern gedämpft mit den Nachbarn. Irgendwann herrscht Ruhe, bis auf das rhythmische Geräusch eines dahinrollenden Eisenbahnzuges.

Heute Morgen punkt 08.15 Uhr ereilt uns ein musikalischer Weckruf: Die Lautsprecher im Schlafwagen plärren eine hübsche Melodie und die uns wohlbekannte Stimme des Zug-Schaffners (es ist derselbe wie vor über zwei Wochen) schmettert uns «einen wuuuunderschööööönen guuuuuten Moooooorgen» ins Abteil. Warum tönen Schaffner immer so freundlich, besonders mitten in der Nacht?

Denn Schlafwagen-Schaffner reissen einem regelmässig aus den schönsten Träumen: Ein Rentier hüpfte gerade über einen Fjord während dem ein Ferrari in der Farbe viola metallic eine grandiose Wende im Schneefeld nebenan vollführte und die Sonne…. zu dumm: jetzt werde ich’s nie erfahren.

Eine überaus freundliche Dame bringt uns das Frühstück. Die Betten werden hochgeklappt, Leben kommt in den Zug. Unser Zug liegt wieder im Zeitplan und hat scheinbar die Verspätung vom Vorabend aufgeholt.

Ein Gefühl von Wehmut schleicht sich unbarmherzig an. Unsere Reise ans Nordkapp geht ihrem Ende entgegen. Ab morgen gibt es von Marcel kein detailliertes Tagesprogramm samt Link für die Navigation mehr, von Roger hören wir auch kein «wir sind alle da» im Funk, der rote Service-Wagen als gut sichtbares Ende unserer Wagenkolonne wird fehlen. Den vergangenen Tag werden wir nicht mehr in einer begeisternden Bildergalerie von Hans-Peter Thoma Revue passieren lassen, keine endlosen Fjorde oder Hochebenen mehr, kein neues Hotelzimmer (aber dafür auch keine Zirkelei in engen Hotelgaragen). Ach ja, den täglichen Blog, den ich für Sie, meine lieben Leserinnen und Leser verfassen durfte, wird entfallen. Sie werden mir fehlen!

Was uns aber ganz besonders fehlen wird, sind all die liebgewonnenen Gesichter unserer FOCS-Hammerfest-Familie. In dieser kurzen Zeit unserer «verrückten» Reise hat sich ein starkes Gefühl der Zusammengehörigkeit und der gegenseitigen Wertschätzung eingestellt. Kleine Marotten wuchsen zum sympathischen Markenzeichen. Die Hilfsbereitschaft untereinander wurde stets gelebt.

Wir sind stolz auf das Geleistete. Es war keine Kaffeefahrt – im Gegenteil. Ein Ferrari in Skandinavien fällt enorm auf. Zwölf Ferrari sind etwas schier Unfassbares. Die Zuschauer am Strassenrand und in den Städten waren stets sofort a Filmen, wenn sie uns erblickten. Kopfschütteln gab es nur sehr vereinzelt. Marcel und Marcelina haben als Organisatoren der Reise Massstäbe gesetzt. Umsichtig, präzis und auf eine charmante Weise führten sie uns durch die gesamte 18-tägige Reise. Danke – vielen, vielen herzlichen Dank!

Sämtliche unserer 12 Ferrari kamen ohne gröbere Kratzer und vor allem ohne jegliche Panne wieder zurück. Insgesamt legten wir eine Strecke von über 7'000 Kilometern auf eigener Achse zurück. Jeder Meter war pure Freude! Nichts tut einem weh, kein Ohrensausen und auch kein Hexenschuss. Im Ferrari verschieben sich die Grenzen. Fantastisch, diese Erfahrung.

Das Glück war uns hold: Schönstes Wetter über weite Strecken (insbesondere am Nordkapp), keine unangenehmen Begegnungen (weder mit Elch noch mit der Schwedischen oder Norwegischen Polizei), keine Missgeschicke oder Unfälle.

Die FOCS Jubiläumsreise «Äs Hammerfäscht in Hammerfest» ist unvergesslich, einzigartig und einmalig. Für uns alle ging eine neue Welt auf. Daran werden wir uns stets erfreuen – ein Leben lang.

Tränen? Ja gewiss, feuchte Augen gehören zu jedem Abschied. Aber auch zu herzhaftem Lachen. Freuen wir uns auf die kommenden Anlässe unseres 50-Jahr-Jubeljahres – und unser baldiges Wiedersehen.

Jetzt geht’s erst mal zur Autowäsche!