Kreisel

15. Juli

Überholt – vom Güterzug

Kreisel mitten im Berg, Kreuzfahrtschiff vor Anker, heisses Stelldichein im Stall.

Bekanntlich führen viele Wege nach Rom – aber bloss Einbahnstrassen vom Parkhaus ins Hotel. Wer frühmorgens schlaftrunken die Abzweigung verpasst, landet plötzlich hinter einem Kehrichtwagen. Lautes Fluchen hilft nicht wirklich – das metallische Scheppern der norwegischen Abfallbehälter übertönt die sanfte Stimme des Navigationsgeräts. Eine Ehrenrunde um die Häuserblocks, hastig das Gepäck verladen und schon geht’s los Richtung Oslo.

Übrigens war das Frühstück eine Wucht. Das Buffet bot eine Fülle von Leckereien, gesunden „Flöckli“ für alle Linienbewussten und Cholesterin-Bomben für unersättliche Geniesser. Ein „Zwipf“ (für alle, welche weder Tage in Feldgrün erlebt noch je davon gehört haben: der Ausdruck bedeutet Zwischenverpflegung) lässt sich damit vorzüglich erstellen. Er hilft bei geschlossenen Restaurants, einem plötzlichen Hungerast oder einfach so, wenn der Magen zu knurren beginnt.

Ein Tunnel nach dem anderen durchfahren wir. Es ist kühl, aber trocken. Am meisten beeindruckt ein monströser Kreisel mitten im Berg. Was heisst da einer? Vielmehr waren es zwei, welche in direkter Abfolge zusätzlich mit einer riesigen Hängebrücke verbunden sind. Dumm bloss, wer den falschen Abzweiger erwischt. Der fährt dann halt ein paar Mal durch den Fels.

Schon von weitem ist in Eidfjord die Silhouette eines mächtigen Kreuzfahrtschiffes erkennbar: die AIDAperla liegt vor Anker. Massig überragt sie alles. Dreihundert Meter lang bietet das Schiff über 4‘000 Passagieren Platz. Menschentrauben stehen am Hafenquai. Als sie unsere 12 Ferraris entdecken, zücken sie ihre Kameras und filmen wie wild drauflos. Für einmal sind nicht die schroffen Felswände des Fjords Ferien-Trophäen…

Nach dem Mittagessen zeigt sich die Sonne immer mehr. Wir fahren in grösseren Kehren in die Höhe. Links und rechts der gut ausgebauten Bergstrasse sind Holzstangen in dichter Folge angebracht. Ihre Länge von geschätzten fünf Metern lässt vermuten, dass der Winter diesem Ort beträchtliche Schneemassen beschert. Oben auf 1‘400 m.ü.M. angelangt sieht man unzählige Ferienhäuschen – beinahe so, wie wenn ein Sack voller Legoklötzchen auf dem Zimmerboden ausgeleert wurde. Die Cabrio-Dächer werden geöffnet, Marcel ruft seine „Schäfchen“ hinter sich, um einen knackigen Video aus dem fahrenden Auto zu drehen.

Je näher wir Oslo kommen, desto wärmer wird es. Die Temperaturanzeige bewegt sich inzwischen auf über 20 Grad. Eine liebliche Flusslandschaft mit ein paar Sandbänken windet sich durch das breite Tal.

Ein lautes Quietschen und dumpfes Rumpeln kündigt einen Güterzug an. Die Trasse verläuft links neben der Strasse, auf welcher eine Höchstgeschwindigkeit von 70 km/h signalisiert ist. Minuten vergehen, in denen der Zug stur seinen Weg zu fahren scheint, während unsere Strasse in kleinen Kurven hin und her mäandriert. Das Fenster des Führerstandes ist geöffnet. Die junge Lockführerin lacht zu uns herüber – winkt, wir winken zurück, sie lässt kurz das Signalhorn ertönen. Ein Moment nur, dann werden wir vom Güterzug überholt. Wir nehmen es gelassen. Auch bei der norwegischen Bahn gibt’s also eine Ferrarista!

In Oslo treffen wir ohne jeden Stau ein. Erstaunlich eigentlich, ist’s doch Freitag und 18.00 Uhr. Stalldrang macht sich bemerkbar. Und was für einer: in der hoteleigenen Garage parkieren wir neben rassigen Sportwagen aus Sant Agatha Bolognese. Ein Countach, mehrere Diablo, ein etwas mitgenommener Espada und ein Murcielago freuen sich auf ihre heutigen Stallgenossen. Das wird bestimmt eine heisse Nacht. Enzo Ferrari und Ferruccio Lamborghini hätten sich dies wohl nicht in ihren kühnsten Träumen vorstellen können.

Morgen steht ein Stadtbummel an. Oslo hat bekanntlich viel zu bieten – lassen wir uns überraschen!