boat

13. Juli

Wilder Ritt – mitten durch die Wellen

Datenspeicher unter dem Meeresspiegel, rasanter Bergpreis zum Leuchtturm, grandiose Bewirtung in der alten Schule und Küstenexpedition im Speedboat.

Wissen Sie, wie ein typischer Sommertag an der norwegischen Westküste ausfällt? Nicht? Dann soviel: man nehme ein dickes und mächtiges Gewölk soweit das Auge reicht, blase mit kräftigem Wind vom Meer her, lasse Bindfäden in kurzen Regenschauer auf die Menschen nieder, bis sie klatschnass sind, erfreue sich an einem aufgewühlten Meer, der felsigen, schroffen Küste – und den Momenten, in denen sich urplötzlich ein blaues Tor am Himmel öffnet und die wärmenden Sonnenstrahlen das ganze, vorgängige Furioso mit mächtiger Hand besänftigen. So ein Tag ist heute.

Nein, das hat nichts damit zu tun, dass am 13. Juli unser 13. Reisetag mit einem sehr speziellen Programm von Marcel Aumer auf uns wartet. Wir steigen in den Bus, welcher uns zum Lefdal Mine Datacenter bringt. Ein stillgelegtes Bergwerk beinhaltet heute eines der grössten und führendsten Datacenter der Welt. Sein CEO Sindre H. Kvalheim ermöglicht uns dank der Verbindung zu Marcel eine Führung, wie man sie normalerweise nie erhält.

Nach der Sicherheitskontrolle fährt der Reisebus in den Berg ein. Der Fahrer stoppt und wir steigen aus. Ein schweres Stahlgitter versperrt uns den Zugang in die eine Kavernen, 4 Etagen unter dem Meeresspiegel. Nach einem kurzen Fussmarsch stehen wir vor riesigen Containern, welche auf einem massiven, gelben Gestell links und rechts übereinander gestapelt sind. Rohre mit einem kräftigen Schieber steigen aus dem doppelten Kavernenboden und versorgen die Container mit Kühlwasser. Ein Sirren und Rauschen erfüllt das etwa 7 Grad Celsius kalte und 8 Meter hohe Felsgewölbe. Bauarbeiter bringen neue Installationen ein. Das Geschäft brummt – Datacenter sind heute äusserst gefragt. Höchste Diskretion und Sicherheit sind angezeigt. Weltkonzerne, Regierungen und Private zählen zu den Kunden. Nicht bloss Daten werden gespeichert, sondern beispielsweise auch Kunst oder Autos. Zu sehen ist nichts. Alles liegt hermetisch abgeschlossen in den jeweiligen Container.

Nach diesem faszinierenden Einblick in eine normalerweise verborgene Welt steigen wir in unsere Ferrari. Sie haben uns bereits vermisst – besonders Hans‘ F8 Tributo! Rassig geht’s dem Fjord entlang und dann kurz in die Höhe durch den Ort Kvalheim direkt an die Küste. Oben angelangt sorgen unsere enorm liebenswürdigen und engagierten Gastgeber – die Familie Kvalheim mit dem Vater, seinen zwei Söhnen und deren Gattinnen – für eine rasante Bergfahrt auf dem schmalen Strässchen. Die einheimischen Fahrzeuge werden kurz angehalten (man kennt sich bestens) und geben den Weg frei. In zügigem Tempo preschen wir die engen Kehren hoch. Kein „Eier-Tütschen“ ist das Motto – mit Freude ankommen! Bloss Balu der Bär und seine Gemütlichkeit vergessen wir einmal für diesen kurzen Moment.

Gewaltig! Wir stehen am „Westkapp“, dem westlichten Punkt der norwegischen Küste. Der alte Leuchtturm „Krakenes Fyr“ liegt etwa 60 Meter über dem Meeresspiegel. Er weist seit über 100 Jahren den Schiffen den sicheren Weg. Wenn das Meer bei Sturm tobt, schlagen die Wellen über dem Haus zusammen. Urgewalten, wie wir sie uns kaum vorstellen können.

Die Familie Kvalheim bereitet uns zusammen mit ihren Köchen ein lukullisches Mittagsmahl. Alle Zutaten zu den Speisen (bis auf den Salat) stammen aus lokalem Anbau. Das typische norwegische Essen und die gelebte Gastfreundschaft in der alten Dorfschule sind einer dieser kostbaren Momente zum Innehalten. Frisch gestärkt und aufgewärmt sind wir nun bereit für den nächsten Nervenkitzel.

Am Hafen von Måløy wartet ein Speedboat auf uns. Dick eingepackt in Rettungskombis und ausgerüstet mit Brillen nehmen unsere Teilnehmerinnen und Teilnehmer auf dem Boot Platz. In etwa zwei Stunden umrunden sie die zerklüfteten Küstenabschnitte rund um Måløy. Die See ist stellenweise rau und aufgewühlt. Weisse Gischt spritzt. Im Höllentempo geht’s nicht über, sondern mitten durch die Wellenkämme. Die Bootsmotoren jaulen auf, der Rumpf klatscht auf das Wasser. Die Felsen sind zum Greifen nahe.

Tropfnass und leicht benommen landen unsere Seebärinnen und Seebären an. Wieder festen Boden unter den Füssen fällt der Gang – zugegeben – auf den ersten Meter gewiss etwas breitspurig und „gstabig“ aus. Eine warme Dusche – und nach zwei Stunden (bei anderen gewiss viel früher) sitzt die Frisur wieder. Schliesslich werden wir morgen Abend in der Stadt Bergen erwartet.

Aber vorerst schwelgen wir in den grandiosen Eindrücken dieser herben, rohen Landschaft, freuen uns über die warmherzige Gastfreundschaft und die spannenden Einblicke in die Welt der Daten. „Ä tüüüfe gsunde Schlaaf“ ist uns an diesem 13. Juli für einmal sicher. Schliesslich ist’s draussen wieder etwas dunkler als im hohen Norden.