ASA Coupe

PASSION & sTORIES

ASA 1000 GT – vergessene „Ferrarina“ 

Ein keckes, schnelles Wägelchen mit grandiosen „Erzeugern“. Mit 4 Zylindern und 850 ccm preschte Enzo Ferrari höchstpersönlich durch die Gegend von Maranello!

Fiat und Enzo

1959 - Die Bombe platzt

Wie jeden Morgen liess sich Enzo Ferrari von Antonio, seinem Barbier, rasieren. Auch am 19. Dezember 1959, dem Tag der traditionellen Pressekonferenz. Nach einem Rundgang durch die kürzlich ausgebaute Fabrik und Enzo Ferrari’s Erläuterungen zur kommenden Rennsaison stellte er sich den Fragen der Journalisten.

Ob er bitte sagen könne, was er mit „il piccolo motore 854“ zu tun gedenke, den man soeben auf einem Prüfstand in der Halle gesehen habe. Verdutzt meinte er, Ferrari entwickle fortlaufend Motoren verschiedenster Hubräume.

Nein, er schliesse strikte aus, ein solch kleines Fahrzeug bei Ferrari je zu produzieren geschweige denn ihm seinen Namen zu geben. Ein Ferrari habe 12 Zylinder und bleibe stets einem exklusiven Kundenkreis vorbehalten. Der 850 könne ein leistungsfähiger, kleiner Granturismo für die Jungen werden, aber er habe keine Mittel, ein solches Projekt umzusetzen. Vielleicht trage das Auto einmal „un nome a me estremamente caro“...

Mit 4 Zylindern und einem Hubraum von 850 ccm leistete die Maschine 75 PS bei 6'800 U/min. Eingebaut war sie in ein von Sergio Scaglietti extra umgestaltetes Fiat 1200 Pininfarina Coupé in der Farbe „blu medio“. Enzo Ferrari testete das Wägelchen höchstpersönlich und ausgiebig. Mit seinen 600 kg und dem Overdrive erreichte es eine Höchstgeschwindigkeit von 170 km/h. Mitten im Kühlergrill glänzte in kurioser Weise eine Maschinenpistole als Markenemblem. Die Presse nannte sie „Ferrarina“.

1962 – „Mille GT“ wird zu „ASA“

Im Oktober 1961 meldete Nuccio Bertone seinem Auftraggeber Enzo Ferrari die Studie des kleinen G.T. sei fertig. Sie werde dem Publikum auf dem Bertone-Stand des Turiner Automobilsalon unter dem Namen „Mille“ präsentiert. Das hinreissende Coupé zeichnete der junge Chef-Designer des Hauses, Giorgio Giugiaro. Der Kühlergrill glich dem aktuellen Ferrari Formel 1 Rennwagen 156 F1.

Giotto Bizzarini, der gerade den Ferrari 250 GT Berlinetta SWB entwickelt hatte, verpasste dem „Mille“ denselben, etwas verkleinerten Rohrrahmen. Carlo Chiti und Luigi Bazzi, verantwortliche Konstrukteure der Rennmotoren-Abteilung bei Ferrari, vergrösserten den Hubraum schliesslich auf 1'032 ccm. Mit zwei Weber Doppelvergasern bestückt stieg die Leistung auf 97 PS bei 7'000 U/min. Damit übertraf die erreichte Literleistung diejenige des SWB deutlich! Ausgerüstet mit 4 Scheibenbremsen direkt aus dem Rennbetrieb, mit Borrani-Rädern und 780 kg Gewicht lag die Höchstgeschwindigkeit des „Kleinen“ bei beachtlichen 190 km/h.

Doch wer sollte nun das Auto produzieren? Es fand sich einfach kein Interessent. Oder keiner, der Enzo Ferrari passte. Am 5. April 1962 wurde die Firma Autocostruzione Società per Azioni, kurz ASA, gegründet. Oronzio de Nora, Inhaber eines Elektrochemiekonzerns, war ein guter Kunde von Ferrari. Zusammen mit seinem Sohn Niccolò wagte er das Abenteuer. Die beiden Ferrari Formel 1 Piloten Lorenzo Bandini und Giancarlo Baghetti wirkten als Testfahrer. Eugenio Dragoni, ehemaliger Rennleiter bei Ferrari und andere Grössen aus der Automobilwelt berieten die völlig unerfahrenen de Nora beim Firmenaufbau.

1964 endlich begann die Produktion. Mindestens 3'000 Stück wollte man vom Coupé herstellen. Die Verkaufszahlen waren jedoch enttäuschend. Insgesamt entstanden zwischen 1964 und 1967 nur rund 95 fertige Autos, davon etwa 80 GT Coupés. Rund 15 Stück waren Spyder, vier Typen 411 sowie drei 613 RB und eine Handvoll Sondermodelle.

Asa 2
Asa Lady

1967 – Das rasche Aus

Ein hübsches Fahrzeug mit fantastischem Motor und hervorragenden Fahreigenschaften war der ASA. Schnell, mit sehr guter Strassenlage und kräftigen Bremsen - ideal für den Sportfahrer mit etwas kleinerem Geldbeutel. Doch für’s gleiche Geld gab es mehr Hubraum und Leistung: In der Schweiz kostete ein ASA 1965 sagenhafte 21'700 Franken – also etwa ähnlich viel wie ein Porsche 911 und nur leicht weniger als ein Jaguar E Type. Und in den USA lag der Preis bei 6'000 $, ein Drittel mehr als für eine Corvette 427 zu bezahlen war.

Damit war das Schicksal von ASA besiegelt. Von Ölkrise und Downsizing sprach damals niemand. Vielmehr genoss man „la dolce vita“! Die völlig unbekannte Marke ASA, das fehlende Vertriebsnetz und die stets klamme Liquidität der jungen Firma führten 1967 zum Aus.

Doch der Gedanke, einen „kleinen Ferrari“ zu produzieren und eine neue Kundschaft anzusprechen, war geboren: 1968 erfolgte bekanntlich der Produktionsstart des Dino 206 GT. Was sagte Enzo Ferrari an der Pressekonferenz 1959? Genau: „un nome a me estremamente caro“. Wahrhaftig!

1966 ASA 1000 GT Chassis-Nr. 01258

Hergestellt als fünftletzter aller ASA verliess Chassis-Nr. 01258 1966 das Werk – wohl direkt in Richtung USA. 1974 erwarb Jack Louis den Wagen und fuhr ihn bis 1987. Bei einem Stand von 80'404 km verkaufte er diesen an Domenico Spadaro, einem ausgewanderten Sizilianer, der in Winter Plaines (New York) eine Autogarage für Alfa Romeo und Ferrari betrieb. Laut Auskunft seiner Söhne fuhr er den Wagen praktisch täglich und mit grösstem Vergnügen. 1989 kaufte Dr. Kenneth Gerber, ein Ferrari-Liebhaber aus Kalifornien, den ASA mit 92'626 km. Er behielt ihn zusammen mit einem zweiten Exemplar bis im Jahr 2012, fuhr ihn hingegen nie. Das Fahrzeug war komplett im Originalzustand. Nach einer sorgfältigen Restauration in Italien fand die „Ferrarina“ 2018 ihr neues Zuhause in der Schweiz bei einem Mitglied des FOCS.

Ein keckes, schnelles Wägelchen mit grandiosen „Erzeugern“ welches man sehr selten antrifft. Der kleine Vierzylinder ist äusserst drehfreudig. Das raue Bellen vermischt sich mit dem kräftigen Schnorcheln der Doppelvergaser und lässt keinen Zweifel an seiner Abstammung. Die präzise Lenkung und das ausgezeichnete Fahrwerk begeistern auch heute. Das Einlegen der Gänge ist knackig – samt dem obligaten „Ruck“ des elektrohydraulischen Overdrives im 3. und 4. Gang. Das klassische Armaturenbrett mit den runden Jaeger-Instrumenten und den Kippschaltern ist bildhübsch. Die mit Kunstleder bezogenen Sitze sind etwas knapp geraten und bieten wenig Seitenhalt. Wieselflink und mit kernigem Sound erobert er aber noch heute alle Herzen!

Asa 3